Die Neuköllner Begegnungsstätte e.V. geht in Berufung gegen das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zur Aufführung der Begegnungsstätte im Verfassungsschutzbericht 2016 und lässt die getroffene Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht überprüfen.
Die Neuköllner Begegnungsstätte hat im Sommer 2017 Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen ihre Aufführung im Verfassungsschutzbericht 2016 eingelegt und dabei ein Eilverfahren angestrebt sowie einen Antrag auf Unterlassung für das laufende Jahr gestellt. Die Aufführung beruht aus ihrer Sicht nicht auf Grundlage von nachgewiesenen verfassungsfeindlichen Einstellungen, Predigten, Publikationen o.ä., sondern lediglich auf einzelnen Kontakten (Kontaktschuld). Und dies auch wieder nur zu Organisationen, bei denen ebenfalls keine verfassungsfeindlichen Positionen oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit dokumentiert werden konnten.
Der einstweilige Rechtsschutz gegen die Nennung wurde zurückgewiesen mit der Begründung, der Kontakt mit Organisationen die wiederum Kontakt zu anderen Organisationen pflegen, die verdächtigt würden sich der Bekämpfung der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu widmen sei ausreichend.

Die Neuköllner Begegnungsstätte hat sich entschlossen, Einspruch gegen die Ablehnung des vorläufigen Rechtsschutzes durch das Gericht vor dem Oberverwaltungsgericht einzulegen. „Unser Glaube in den Rechtsstaat ist ungebrochen", so der Vorsitzende und Imam der Moscheegemeinde, Mohamed Taha Sabri: „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Eintragung unserer Moscheegemeinde in den Verfassungsschutzberichten 2015/2016 Bestand hat, obgleich es nie Predigten in unseren Räumlichkeiten oder anderweitige Publikationen gab, die in irgendeiner Weise grundgesetzwidrig waren. Es ist mir schlichtweg unbegreiflich, dass unsere Gemeinde nur der Darstellung des Wirkens von Organisationen in dem Bericht dienen soll, denen verfassungsfeindliches Gedankengut vorgeworfen wird und dass das Gericht gleichzeitig feststellt, dass der Neuköllner Begegnungsstätte keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstellt werden.“
Er hat den Eindruck, daß in manchen Teilen der Gesellschaft zweierlei Maß angelegt wird, wenn es um Muslime geht, denn „Organisationen wie die AfD, die Zeugen Jehovas oder die katholische PIUSBruderschaft werden trotz offenkundigen Vorhandenseins solcher Positionen oder Verbindungen nicht im Verfassungsschutzbericht aufgeführt.".

Trotz des Rückschlags sieht sich die Moscheegemeinde aufgrund der Urteilsbegründung darin bestätigt, dass der Neuköllner Begegnungsstätte keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstellt werden und hofft, dass das Oberverwaltungsgericht im Sinne der Neuköllner Begegnungsstätte einer Löschung der Eintragung im Verfassungsschutzbericht auch für die Jahre 2015 und 2016 rückwirkend zustimmen wird. Insbesondere vertraut die Gemeinde darauf, dass das Oberverwaltungsgericht die aus ihrer Sicht auf schwachen Füßen stehende Kontaktschuld auch ins Verhältnis setzt zu den zahlreichen positiven Aktivitäten der Neuköllner Begegnungstätte, die sich in unterschiedlichster Form u.a. gegen Antisemitismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit gerichtet haben.

"Wir sind zwar etwas enttäuscht darüber, dass der vorläufige Rechtsschutz in erster Instanz abgelehnt wurde", so Mohamed Taha Sabri. "aber wir lassen uns von unserem Kurs des Dialogs mit den Vertreter*innen unterschiedlicher Religionsverständnisse und der Gesellschaft nicht abbringen.“ Weiterhin sagt er: „auch die Verleumdungen von Neuköllns Jugendstadtrat Falko Liecke werden keinen Einfluss auf unsere Bemühungen haben, aktiv für ein gutes und friedliches Zusammenleben in unserer Gesellschaft einzustehen.“. Falko Liecke hatte in einer Pressemitteilung vom 27.04.2018 die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts zur Nennung der Neuköllner Begegnungsstätte e.V. im Verfassungsschutzbericht 2016 thematisiert und dabei schwere Vorwürfe erhoben.

Die Neuköllner Begegnungsstätte ist über die haarsträubenden Thesen und Forderungen des CDUPolitikers besorgt. „Die Unterstellung in der Gemeinde würden Jugendliche indoktriniert und ohne Einwirkung des Staates „(...)die nächste Generation Islamisten ausgebildet“ ist politischem Kalkül geschuldet und reine Stimmungsmache. Liecke sichert sich damit zwar bestimmt Punkte im rechten Flügel der eigenen Partei und gewinnt vielleicht sogar ein paar an die AfD verlorene Wähler*innen wieder, beweist dadurch aber deutlich einen Hang zu Verschwörungstheorien und blindem Aktionismus“ so die Pressesprecherin und Medienbeauftragte der Begegnungsstätte, Juanita Villamor-Meyer. „In Zukunft hoffen wir, dass sich Herr Liecke mit unserer tatsächlichen Arbeit beschäftigt, anstatt uns auf diese ungeschliffenen Art zu diffamieren. Es wäre ein Armutszeugnis für Neukölln, wenn der stellvertretende Bürgermeister weiterhin nur aufgrund von Spekulationen agierte, seinen Auftrag gegenüber den Bezirksbürger*innen vergäße und rufschädigende Behauptungen verbreitete“.